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09.10.2024

AfD-Landesverband Sachsen: Durfte in sächsischem Verfassungsschutzbericht 2020 erwähnt werden

Die Erwähnung der AfD, Landesverband Sachsen, im sächsischen Verfassungsschutzbericht 2020 war rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Dresden entschieden.

Im Verfassungsschutzbericht des Landesamts für Verfassungsschutz wurde "Der Flügel" als extremistischer Personenzusammenschluss innerhalb der AfD im Abschnitt über Rechtsextremismus erwähnt. Dort waren Ausführungen zur Ideologie, Strategie und Struktur sowie zu den Aktivitäten enthalten. Zudem wurden unter anderem der Landesvorsitzende der AfD, Jörg Urban, sowie der Generalsekretär der AfD in Sachsen, Jan-Oliver Zwerg, mit einigen Aussagen zitiert und als Flügel-Anhänger bezeichnet.

Die ursprüngliche Fassung des Verfassungsschutzberichts 2020 ist in Bezug auf die Ausführungen zum "Flügel" nicht mehr öffentlich verfügbar. In der derzeit und seit August 2022 öffentlich allein noch verfügbaren Fassung des Berichts sind die Ausführungen zum "Flügel" in der Vergangenheitsform enthalten. Im Text und durch Fußnoten ist nunmehr ergänzt, dass sich der "Flügel" zum 30.04.2020 aufgelöst habe und aufgrund eines Urteils des VG Köln vom 08.03.2022 seine Einordnung, Beobachtung, Behandlung, Prüfung und Führung als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung untersagt sei.

Die AfD in Sachsen hat vom sächsischen Innenministerium vorprozessual verlangt, Veröffentlichungen zu unterlassen, die geeignet sind, zu ihrer verfassungsschutzrechtlichen Einstufung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beizutragen. Außerdem solle der Verfassungsschutzbericht 2020 dahingehend richtiggestellt werden, dass die angegriffenen Verlautbarungen rechtswidrig gewesen seien. Nach Ablauf einer von ihr gesetzten Frist hat die AfD geklagt.

Sie hat beantragt, den beklagten Freistaat Sachsen zu verurteilen, es zu unterlassen, öffentlich zu behaupten, dass eine (ehemalige) Teilorganisation der AfD in Sachsen die Ziele "Permanente Verächtlichmachung demokratischer Institutionen, Abschaffung des Parlamentarismus, Etablierung einer völkischen Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk, Pauschale Ausgrenzung, Verächtlichmachung und Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden" verfolgt habe. Unterlassen werden solle auch die öffentliche Behauptung, die AfD habe in Sachsen eine (ehemalige) Teilorganisation, von der "der Einzelne als der Gemeinschaft unbedingt untergeordnet angesehen" worden sei, sowie zu behaupten, dass die Funktionäre der Klägerin Jörg Urban oder Jan-Oliver Zwerg Anhänger oder Mitglieder einer Organisation mit derartigen Zielen gewesen seien oder, dass diese selbst solche Ziele verfolgt hätten. Ferner hat die AfD verlangt festzustellen, dass die öffentliche Bekanntgabe der Einstufung, Einordnung, Beobachtung, Behandlung, Prüfung oder Führung des "Flügel" in Sachsen als "gesichert (rechts)extremistische Bestrebung" für den Zeitraum vom 30.04.2020 bis zum 31.12.2020 rechtswidrig war.

Die AfD hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bereits formell rechtswidrig sei, weil sie vor der Aufnahme in den Bericht nicht angehört worden sei. Dies widerspreche Regelungen des europäischen wie des nationalen Rechts. Ihre Aufnahme in den Bericht sei auch materiell nicht rechtmäßig gewesen. Es treffe bereits nicht zu, dass es sich bei dem "Flügel" um eine Personenvereinigung im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und S. 2 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz (SächsVSG) handele. Es habe sich vielmehr um eine lose Vortragsreihe innerhalb der Partei und für die interessierte Öffentlichkeit gehandelt. Im Übrigen könne die bloße Kritik am Regierungshandeln nicht als "permanente Verächtlichmachung demokratischer Institutionen" klassifiziert werden. Vielmehr würden dadurch jene Rechte ausgeübt werden, die die freiheitlich demokratische Grundordnung gewähre. Der Beklagte fantasiere herbei, dass Teile der Klägerin für die "Etablierung einer völkischen Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk" eingetreten seien. Ebenso wenig könne dem "Flügel" eine "pauschale Ausgrenzung, Verächtlichmachung und Rechtslosstellung von Migranten" vorgehalten werden. Ausgegrenzt und verächtlich gemacht werde vielmehr die AfD selbst. Der "Flügel" habe eine Ausländer- beziehungsweise Asylpolitik vertreten, die an die geltende Rechtslage anknüpfe. Die Verarbeitung personenbezogener Daten des Vorsitzenden der AfD Sachsen, Jörg Urban, und von Jan-Oliver Zwerg sei ebenso wenig gerechtfertigt wie die damit einhergehende Unterstellung, dass es sich bei ihnen um Rechtsextremisten handele. Keiner von beiden habe sich zum "Flügel" bekannt oder dessen behauptete Ziele vertreten.

Der Beklagte ist dem in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. Er hat darauf verwiesen, dass ein Personenzusammenschluss im Sinne des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes nicht erfordere, dass dieser förmlich verfasst sei, etwa nach Art eines Vereins. Es reiche bereits aus, wenn sich mehrere Personen formlos zu einem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen hätten. In Bezug auf den "Flügel" sei dies in Gestalt der so genannten Erfurter Resolution erfolgt. Die Auflösung sei in der in Gestalt der "Dresdner Erklärung" erfolgt. Eine Organisationsstruktur sei durch das Unterhalten einer eigenen Internet-Präsenz, ein eigenes Logo und durch einen "Obmann" des "Flügel" erkennbar gewesen. Der "Flügel" sei darauf gerichtet gewesen, insbesondere das Mehrparteiensystem (§ 3 Absatz 2 Nr. 3 SächsVSG) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (§ 3 Absatz 2 Nr. 7 SächsVSG) außer Geltung zu setzen. Dies sei anhand einer Vielzahl von Belegen nachgewiesen. Die Urban und Zwerg zugeschriebenen Haltungen seien durch verschiedene ihrer Äußerungen belegt.

Das VG hat die Klage abgewiesen und eine Berufung gegen sein Urteil nicht zugelassen. Es geht davon aus, dass es sich beim "Flügel" sehr wohl um einen Personenzusammenschluss und nicht lediglich um eine lose Vortragsreihe gehandelt habe. Im Übrigen folgt es im Wesentlichen den Auffassungen des Beklagten.

Verwaltungsgericht Dresden, PM vom 07.10.2024, 6 K 128/23